Marion Zielinski
Ingenieurin für Automatisierung und Robotik

Der Dino und die Ingenieurin: Marion Zielinski forscht an der TU Braunschweig mit solchen Robotern und auch mit Drohnen. Ihr Ziel ist eine Welt, in der Pflanzen resistenter gegen Krankheiten sind. Bild: privat

Drei Dinge, die Marion Zielinski an ihrem Arbeitsplatz braucht: Roboter, Bürsten und Blattläuse. Hä? Die Doktorandin der Technischen Universität Braunschweig erklärt Dir hier ihren Job – und wie sie als erste Studentin ihrer Familie den Weg durch die Uni gemeistert hat. 

Frau Zielinski, was ist die kniffeligste fachliche Frage, über die Sie gerade nachdenken?
Ich versuche, Blattläuse mit Hilfe eines Roboters oder einer Drohne gleichmäßig auf einem Feld zu verteilen. Das klingt erstmal komisch, aber das gehört zu einem Forschungsprojekt, das Zuckerrüben gegen einen weit verbreiteten Virus resistent machen soll. Die Blattläuse übertragen dieses Virus, und meine Aufgabe ist es, auf einem Feld mit unterschiedlichen Saatgutzüchtungen die Blattläuse so auszubringen, dass sich herausfinden lässt, wie resistent welche Züchtung gegen das Virus ist.

Warum kann man dafür kein vorhandenes Verteilersystem nutzen?
Sie sind zu wenig feinfühlig und könnten die winzigen Blattläuse zerquetschen. Also probiere ich unterschiedliche Materialien und Prozesse aus, die sich über Roboter oder Drohnen einsetzen lassen. Im Moment arbeite ich etwa mit Bürsten, Schaumstoff oder Ventilatoren.

Wissen Sie noch, was Sie als Kind werden wollten?
Mit 12 oder 13 Jahren hatte ich die Idee, Regisseurin zu werden und war auch in der Video-AG meiner Schule. Aber über meine Kunstlehrerin habe ich gemerkt, dass das eine harte Branche ist, mit wenigen Ressourcen und viel Konkurrenzdenken. Man muss ständig nachweisen, die Förderung wert zu sein. Das passt nicht zu meinem Charakter.

Interessant, wir dachten immer, dass Ingenieur:innen auch im Wettbewerb zueinander stehen.
Aber anders. In der Regel bekommen wir einen Auftrag und dann suchen wir im Team nach einer gemeinsamen Lösung. Wir arbeiten mit-, nicht gegeneinander und müssen auch viel weniger um Ressourcen kämpfen. Meine kreative Seite kann ich dabei außerdem einbringen.

Sie haben nach dem Abitur im Bachelor Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Wie sind Sie darauf gekommen?
Ich habe einen Online-Test gemacht, unter was-studiere-ich.de. Luft- und Raumfahrttechnik war ein Vorschlag. Also habe ich mich eingelesen. Mir hat sehr gut gefallen, dass bei diesem Studiengang klar ist, was man damit machen kann. In der Schule mochte ich Mathematik sehr, aber bei einem reinen Mathematik-Studium wären mir die beruflichen Perspektiven zu vage gewesen.

Wie ging es nach dem Bachelor für Sie weiter?
Im Masterstudium habe ich mich auf Navigation und Umweltrobotik spezialisiert. Meine Dissertation schreibe ich nun am Institut für Mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge. Das gehört zum Fachbereich Maschinenbau an der TU Braunschweig.

Sie sind die erste Person in Ihrer Familie, die studiert hat. Wer hat Sie bei dieser Entscheidung unterstützt?
Meine Familie. Sie ist sehr stolz auf mich. Ich wusste immer, dass ich mich auf meine Eltern verlassen kann. Mein Vater hat eine Ausbildung im Bereich Maschinenbau und hat mir schon als Kind seinen Arbeitsplatz gezeigt. Meine Mutter hat immer ein offenes Ohr für meine beruflichen Pläne, Sorgen und Probleme. Das ist ein großes Glück, weil es mir viel Sicherheit gegeben hat, den für mich richtigen Weg einzuschlagen.

Für viele dieser so genannten Arbeiterkinder ist der fachliche Teil des Studiums gar nicht das Problem, wohl aber die Angst, in einer akademischen Welt nicht mithalten zu können. Wer oder was hat Sie in dieser Hinsicht beruhigt?
Ich habe gleich im ersten Semester eine sehr gute Lerngruppe gefunden. Wir hatten zwar durchaus einen unterschiedlichen biografischen Hintergrund, aber alle ungefähr den gleichen Leistungsstand, eine ähnliche Denke und ein großes Interesse am Fach. Mal habe ich die anderen um Hilfe gebeten. Mal wollten die anderen von mir wissen, wie ich auf eine bestimmte Lösung gekommen bin. Ich habe in dieser Gruppe sehr schnell gemerkt, dass ich fachlich ohne weiteres mithalten kann. Schwierig waren die BAföG-Anträge. Die kamen mir immer sehr kompliziert vor und ich kannte niemanden, der mir damit helfen konnte. Das war eine Belastung, die andere nicht hatten.

Haben Sie deshalb angefangen, sich bei der Organisation „ArbeiterKind.de“ zu engagieren?
Das hat sich zu Beginn meines Masterstudiums ergeben, als ich das Gefühl hatte, gut genug organisiert zu sein, um anderen weiterhelfen zu können. Ich wusste zum Beispiel, wie man einen Hiwi-Job kommt und habe fast durchgängig neben dem Studium gearbeitet. Überrascht hat mich, dass die finanzielle Frage für Studierende aus Nicht-Akademiker-Haushalten oft gut lösbar ist. Aber vielen fehlt die Unterstützung im Elternhaus. Fehlendes Selbstvertrauen lässt sich nur schwer ausgleichen, auch wenn es heute zum Glück Anlaufstellen wie ArbeiterKind.de gibt.

Was würden Sie Mädchen raten, die sich für ein technisches Studium interessieren, wenn es in ihrem Umfeld noch keine Vorbilder gibt?
Ich empfehle gern den Interessenstest weiter und rate dazu, sich unvoreingenommen mit dem Ergebnis zu befassen, also sich in die vorgeschlagenen Fachbereiche einfach mal einzulesen. Ich selbst habe außerdem ein Praktikum in einem Unternehmen für Maschinenbau gemacht und dabei gemerkt, wie viel Spaß ich an dieser Arbeit habe. Aus einer solchen Motivation heraus setzt es sich leichter Ziele. Außerdem finde ich wichtig, Plan B oder C zu haben. Manchmal muss man einen Umweg nehmen. Das ist völlig normal, passiert vielen im Studium und es hat mit Scheitern nichts zu tun. Im Zweifelsfall gibt es an jeder Hochschule psychosoziale Beratungsstellen, die in solchen Situationen weiterhelfen. Man sollte sich nicht scheuen, ihre Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das machen Akademikerkinder auch.

Offene Kommunikation, aber auch Kreativität und Zusammenarbeit: Sie sprechen viele Fähigkeiten an, die auch wir für wichtige Zukunftskompetenzen halten. Was wird künftig mit Blick auf Ihre Branche besonders wichtig werden?
Mit Blick auf meinen Arbeitsplatz sind diese Kompetenzen alle sehr nützlich. Auch die Fähigkeit, kritisch und lösungsorientiert zu denken, brauche ich hier sehr viel. Ich glaube, dass diese Kompetenzen universell und in sehr vielen fachlichen Gebieten wichtig sind. Sie sind zudem unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. Also hoffe ich, dass es künftig noch leichter wird, allen die gleichen Chancen zu geben.

Was ist ArbeiterKind.de?
Die Organisation ermutigt Schüler:innen ohne Hochschulerfahrung, als Erste in ihrer Familie zu studieren. 6.000 Ehrenamtliche engagieren sich bundesweit in 80 lokalen ArbeiterKind.de-Gruppen. Sie informieren über die Möglichkeit eines Studiums und unterstützen mit ihrer eigenen Erfahrung auf dem Weg zum Abschluss und Berufseinstieg.

Texte: Claudia Parton
Foto: privat
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