Jil Lea Wende
Regisseurin

© Jil Lea Wende

Liebe Jil, schön, dass du da bist. Wir steigen mit vier schnellen Fragen ein! Los geht’s! Montag oder Sonntag?
Definitiv Sonntag! Sonntage sind perfekt, um Energie für die neue Woche zu sammeln und diese auch schon mal etwas zu planen.

Flugzeug oder Zug?
Ich finde Zugfahren auf jeden Fall viel spannender. Während der Fahrt lasse ich gern mit Musik in den Ohren die Landschaft an mir vorbeiziehen und bin dann ganz in meiner eigenen Welt. Ich bin ein sehr visueller Mensch, das heißt, ich sehe in solchen Momenten öfter Filmsequenzen vor meinen Augen – und lasse mich davon inspirieren.

Handwerk oder Kunst?
Beides in Kombination ist perfekt, denn wenn du deiner Kreativität nachgehst, dabei aber ein Handwerk beherrschst, kannst du deine eigene Kunst viel effizienter umsetzen. Beim Film finde ich es z. B. ziemlich hilfreich, wenn du das Kamera-Handwerk beherrschst, dann kann man seine eigenen gedanklichen Bilder einfacher und schneller realisieren.

Und: digital oder analog?
Analog hat einen ganz bestimmten Stil und einen interessanteren Look. Doch trotzdem ist die digitale Technik oftmals praktischer, allein auch von den digitalen Bearbeitungstools.

Vielen Dank! Magst du dich einmal vorstellen?
Gern! Mein Name ist Jil, ich bin 22 Jahre alt, in Berlin geboren und am Rande der Stadt im Grünen aufgewachsen. Schon immer habe ich mich für Film interessiert. Als ich jünger war, habe ich geschauspielert, fand aber die Bereiche hinter der Kamera spannender. Ständig kreisen Geschichten über Geschichten in meinem Kopf – und durch mein soziales Interesse sowie Engagements stand relativ schnell mein Wunsch fest: durch Dokumentarfilme auf wichtige soziale Themen aufmerksam zu machen.

Wie bist du dahin gekommen, wo du heute stehst. Wie war dein Werdegang bis hierher?
Aus meiner Familie hat niemand etwas mit Film zu tun, meine Eltern arbeiten z. B. in sehr gegensätzlichen Berufsfeldern. Ich habe es jedoch als Kind schon gemocht, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, woraufhin sie mich im Alter von fünf Jahren beim Theater angemeldet haben. Daraufhin folgten kleine Filmrollen, wo ich dann am Set die Departments hinter der Kamera kennenlernte. Neben meiner Schulzeit – im Alter von 17 Jahren – begann ich Praktika in Dokumentarfilmfirmen im Produktions- und Regiebereich zu absolvieren und wirkte ebenfalls bei studentischen Filmprojekten mit. Nebenbei engagierte ich mich für Kinderrechte im Rahmen von UNICEF und war als Jugendbotschafterin auf politischer Ebene für die Stärkung von Kinderrechten aktiv. Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr den Wunsch entwickelt, auf soziale Themen aufmerksam zu machen. Dafür ist der Dokumentarfilm natürlich ein sehr spannendes Medium und so habe ich begonnen, mich darauf zu fokussieren.

Das klingt toll. Gibt es konkrete Vorbilder, die du auf deinem Weg hast?
Ja, auf jeden Fall. Die Dokumentarfilmregisseurin Ilona J. Ziok ist definitiv ein Vorbild und auch eine wichtige Wegbegleiterin für mich. Ich habe sie damals auf einer Filmvorführung im Rahmen der Humanistischen Union kennengelernt, das war unmittelbar nachdem ich meinen ersten größeren Kurzfilm im Alter von 18 Jahren realisiert habe. Ich begann, ein Praktikum in ihrer Firma zu absolvieren und auch für mein aktuelles Dokumentarfilmprojekt in Nepal ist sie als Unterstützerin tätig. Was ich besonders beeindruckend an starken Frauen wie ihr finde, ist, dass sie, um auf wirklich wichtige soziale Themen aufmerksam zu machen, auch öfter gegen den Strom schwimmt und sich nicht von ihrem Weg abbringen lässt. Weitere Vorbilder sind für mich die junge Dokumentarfilmerin Antonia Kilian sowie Daniela Jährig, eine Menschenrechtsaktivistin in Nepal. Antonia Kilians Film „The Other Side of the River“ (Gewinnerfilm „Bester deutscher Dokumentarfilm 2022“) gibt Frauen eine Stimme, die sich in Syrien gegen den Islamischen Staat einsetzen. Ihre Power und ihr Durchhaltevermögen so einen Film als junge Frau zu machen, ist sehr mutig und motivierend für mich. Daniela Jährig ist eine unglaublich warmherzige Frau und ermöglicht seit 2011 durch ihre Initiative LiScha Himalaya e.V. gemeinsam mit ihrem Mann Steffen Schöley den Schulbesuch für zahlreiche Kinder in einer der ärmsten Regionen Nepals. Über Daniela sind meine Filmkollegin Annika Rothe und ich während einer Film-Recherchereise in Nepal auf sehr besondere Mädchen aufmerksam geworden, die Hoffnungsträgerinnen in einer Region sind, in der Mädchen frühzeitig verheiratet werden. Ihre Geschichten haben uns seitdem nicht mehr losgelassen.

Gibt es Herausforderungen, denen du dich in dem Berufsfeld als weibliche Regisseurin besonders aktiv stellen musst?
Ja, womit ich ganz besonders noch immer lernen muss umzugehen ist, niemals aufzugeben und einen langen Atem zu entwickeln. Gerade als junger Mensch ist das natürlich schnell demotivierend, denn wenn man für seinen Weg brennt und diesen schon seit längerer Zeit verfolgt, dann kann man theoretisch dafür Berge versetzen. Doch man wird schnell von der Filmbranche ausgebremst. Es heißt oftmals: Dir fehlt als junger Mensch die Lebenserfahrung, um gute Filme zu machen. Deshalb ist es auch nicht so leicht, sich zu Beginn in der Filmbranche durchzusetzen, weil man oftmals gar nicht ernstgenommen wird. Das beginnt ja schon allein an den großen Filmunis. Doch sollte man nicht ungeschliffene Talente fördern, anstatt ausgereifte? Trotzdem sollte man sich von all dem nicht abschrecken lassen, sondern weitermachen und sich für seine Vision einsetzen. Denn wenn man fest hinter seiner Idee steht und davon überzeugt ist, dass diese Geschichte viele Menschen bewegen wird, dann schafft man es auch. So motiviere ich mich zumindest.

Was würdest du denn Mädchen und jungen Frauen mitgeben, die sich für dein Berufsfeld interessieren?
Ich würde Mädchen besonders den Tipp mitgeben, sich genügend Zeit für sich selbst zu nehmen und wirklich in sich hinein zu hören: Was ist mir wichtig und was möchte ich wirklich in meinem Leben machen? Wenn du weißt, was dich interessiert, kannst du diesem Weg folgen, dir treu bleiben und auch wenn der Weg mal steinig ist, diesen weitergehen. Glaubt an eure eigene Stärke! Ich denke, gerade wir Mädchen und Frauen haben eine unglaubliche Stärke in uns. Und ich bin mir sicher, wenn wir auf uns vertrauen, dann können wir sehr viel bewirken und auch verändern. Außerdem ist es sehr hilfreich, Unterstützer:innen an seiner Seite zu haben oder sich in das erste größere Projekt mit einer guten Freundin oder einem guten Freund zu stürzen. Gemeinsam ist man immer stärker! Und wenn du genau weißt, was du im Leben möchtest und welches Thema dich besonders interessiert, dann brennst du für etwas – für deine Geschichte – und das ist der Schlüssel zu einem guten Film.

Welche Zukunftskompetenz ist denn für dich die wichtigste?
Alle sind natürlich wichtig, aber zwei davon würde ich gern hervorheben. Erstens: Critical Thinking, denn gerade in der heutigen Zeit werden wir mit sehr vielen Informationen von allen Seiten überflutet. Das kennen wir ja alle, wir wissen meist gar nicht mehr, was jetzt überhaupt wirklich glauben sollen. Wichtig ist hierbei, seine eigene Meinung aus den vielen Informationen zu bilden und sich am besten selbst ein Bild von der Realität zu machen. Denn die Realität ist oft subjektiv und wird sehr verschieden wahrgenommen. Und dann auf jeden Fall Collaboration. Wenn man sich auf emphatische Weise in Situationen anderer hineinversetzen kann, dann ist es eine sehr besondere Fähigkeit und hilft, Konflikte zu vermeiden. Mit mehreren Menschen dieselbe Vision zu verfolgen, führt dazu, dass man auch schneller zum Ziel kommen und Größeres erreichen kann. Ich arbeite total gern eng mit meiner Kollegin und Freundin Annika Rothe zusammen – wir motivieren uns ständig und verfolgen unsere Fimvision in Nepal zum Thema Mädchen- und Frauenrechte.

Wie geht es mit deinem Film jetzt weiter?
Derzeit arbeite ich an mehreren Filmprojekten zu sozialen Themen. Mein Hauptziel ist jedoch ganz klar: Unseren Dokumentarfilm „SAPANA“ in Nepal – an dem Annika Rothe und ich gemeinsam seit 2019 arbeiten – zu beenden. Gerade in der Corona-Zeit war eine Rückkehr nach Nepal sehr schwer, sodass wir nun schauen, wie wir die letzten Meter unseres Projektes erfolgreich abschließen werden. Mit unserem Film möchten wir Mädchen einer vergessenen ethnischen Minderheit in Nepal eine Stimme geben. Es sind Mädchen, die in sehr jungen Jahren zwangsverheiratet werden, jedoch sehr große Träume haben und sich für Gerechtigkeit von Mädchen und Frauen in ihrer Region und auch ihres Landes einsetzen. Wir möchten diesen Mädchen Gehör verschaffen. Das Besondere an unserem Projekt ist, dass unsere Hauptcrew nur aus Frauen besteht – ein echtes Powerteam.

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