Dagmar Köhler-Repp
Biologin und Gründerin

Dagmar Köhler-Repp © INVAC Deutschland GmbH

2001 gründet Dagmar Köhler-Repp im Keller ihres Elternhauses ein kleines Labor für Veterinärmedizin. Anfangs wird sie belächelt. Heute setzen Tierbetriebe weltweit ihre Impfstoffe ein. 

Frau Köhler-Repp, über welche fachliche Frage grübeln Sie gerade?
In unserem neuen Forschungsprojekt geht es um die Früherkennung von Krankheitserregern in der Tiermedizin mit Methoden der Bioinformatik. Mit computergestützten Analysen könnten wir noch viel früher selbst kleinste DNA-Sequenzen von Krankheitserregern nachweisen und ihren Subtyp bestimmen. Im besten Fall haben wir dann auf Bestand und Erreger angepasste Impfstoffe entwickelt, noch bevor die Krankheit ausbricht.

Warum ist es für uns alle wichtig, dass Sie über solche Fragen nachdenken?
Die Bekämpfung von Krankheitserregern kann das Leben auf der Erde nachhaltig verbessern und verlängern. Viele bakterielle Krankheitserreger sind mittlerweile resistent gegen Antibiotika. Schnell verfügbare und individuell angepasste Impfstoffe sind auch in der Tiermedizin eine wichtige Alternative. Sie schützen davor, dass sich viele oder alle Tiere in einem Bestand anstecken. Beispielsweise können geimpfte Elterntiere auch die Antikörper an ihren Nachwuchs weitergeben.

2001 waren Sie mit dem Ansatz individuell angepasster Impfstoffe ziemlich allein. Wie kam es, dass Sie sich diesem Fachgebiet zugewandt haben?
Das lag an der Zeit und an meinem Vater. Als ich mit dem Biologie-Studium fertig wurde, war Deutschland gerade zehn, elf Jahre wiedervereint. Im Osten gab es kaum Stellen. Ich wollte nicht weg. Ich bin in Potsdam zuhause. Mein Vater war Amtstierarzt und hatte damals schon gesehen, wie wichtig maßgeschneiderte Impfstoffe werden könnten. Also hat er mir vorgeschlagen, ein privates Labor zu gründen. Meine Eltern haben mich aufgrund ihrer eigenen Biographie immer zur Selbstständigkeit ermutigt.

Wie sah dieses Labor aus?
Das war ein Kellerraum in meinem Elternhaus, mit ein paar Ikea-Schränken und einer Grundausstattung an Labortechnik. Dort habe ich angefangen Tierproben zu untersuchen, Diagnosen zu erstellen und an Impfstoffen zu arbeiten.

Damals ging es mit dem Internet gerade los. Der Mythos von Garagen- oder Kellerfirmen wurde weltweit gefeiert. Wie war die Stimmung bei Ihnen im Kellerlabor?
Start-Ups in der Veterinärmedizin sind natürlich weniger glamourös. Ich habe mich in der Anfangszeit oft einsam gefühlt und nicht gern darüber geredet, dass ich allein im Keller Blut, Kot oder Kadaver auf Krankheitserreger untersuche und daraus Impfstoffe herstelle. Besonders im Osten war das für viele Menschen schräg, weil sie Medizin und Diagnostik bis dahin nur aus etablierten wissenschaftlichen Einrichtungen und Pharmaunternehmen kannten. Ein Jahr lang habe ich das Labor aufgebaut und mir dann noch ein Jahr gegeben. Ich dachte, wenn es dann nicht läuft, höre ich wieder auf.

Wer oder was hat Sie überzeugt dranzubleiben?
Die Unterstützung meiner Familie und meines Partners, der später auch ins Labor eingestiegen ist. Nach den ersten positiven Ergebnissen haben meine Eltern zudem große Teile ihres Ersparten in eine professionelle Laborausstattung gesteckt. Diese ungebrochene Begeisterung für das Thema hat mich ermutigt weiterzumachen.

Was hat den Durchbruch gebracht?
Ich habe mich auf große Forschungsprojekte beworben. Darüber kamen die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Unternehmen. Einige kannte ich schon aus dem Studium. Uns allen war wichtig, fachlich an die Spitze zu kommen. Wir haben uns zum Beispiel auf bestimmte Bakterien spezialisiert. Bald wusste weltweit niemand so gut über ihre Subtypen und Variationen Bescheid wie unser Labor. Wir haben nach und nach enge Kooperationen mit führenden Hochschulen und Forschungsinstituten aufgebaut. 2007 wurde der Keller zu klein und wir sind in den Potsdamer Science Park gezogen.

Werfen wir einen Blick auf jene Zukunftskompetenzen, die Bildung aus unserer Sicht stärken muss. Welche haben Ihnen am meisten geholfen, ein so erfolgreiches Unternehmen aufzubauen?
Alle, würde ich sagen. Der Mut, unkonventionelle Wege zu gehen, aber auch Kreativität und kritisches Denken, waren wichtig, als die High-Tech-Verfahren kamen. Ganz am Anfang hatten wir analoge Laborbücher, später kamen Excel-Tabellen hinzu. Heute nutzen wir Labordatenbanken und Massenspektrometer, um das individuelle Proteinspektrum der Keime nachzuweisen, selbst wenn uns nur ganz kleine Proben vorliegen. Dadurch liegen oft schon am selben Tag Diagnosen vor. Bis zum fertigen Impfstoff vergeht kaum ein Monat. Die Möglichkeiten wachsen rasant. Aber man muss am Ball bleiben, priorisieren und gut einschätzen können, was sich jeweils lohnt.

2014 waren Sie „Unternehmerin des Landes Brandenburg“. Vor drei Jahren haben Sie das Labor verkauft, als international aufgestelltes Unternehmen mit rund 60 Beschäftigten. Danach haben Sie ein neues Unternehmen gegründet, ein kleineres Labor. Was reizt Sie daran, zu Ihren Wurzeln zurückzukehren?
Ich war immer sehr stolz darauf, dass wir als klassische Ein-Frau-Kellerfirma stets aus eigener Kraft organisch gewachsen sind. Nachdem ich einen ausländischen Investor in das Unternehmen gelassen hatte, habe ich gemerkt, dass damit Konzernstrukturen einhergehen, die Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse unheimlich verlangsamen und Freiheiten einschränken. Es war nicht mehr möglich, sich wie früher an Forschungsausschreibungen zu beteiligen. Das wollte ich aber lieber als Wachstum und Internationalisierung. Und das mache ich jetzt wieder.

Was raten Sie Mädchen und jungen Frauen, die selber gründen wollen?
Trau Dir was zu. Hör auf dein Bauchgefühl. Lass Dich nicht so schnell entmutigen. Bleib bei Widerständen flexibel und lösungsorientiert. Gerade die Wirtschaft ist noch sehr von Männern bestimmt, deshalb müssen sich Frauen Verbündete suchen, um ihre Interessen durchzusetzen.