Claudia Bernecker
Glasermeisterin

Zwei Frauen, die wissen, wie Glaserei geht: Schon Glasermeisterin Claudia Bernecker (r.) aus Hauzenberg bei Passau war eine der besten ihres Ausbildungsjahrgangs. Gesellin Cecile Höllmüller (l.) schloss bei ihr vor zwei Jahren als Bundesbeste ab. Wie kriegt das Unternehmen nicht nur Mädchen in den Glaserberuf – sondern auch noch fit für die Zukunft zwischen Solarglas und digitaler Produktion? Wir haben nachgefragt. Bildquelle: Glaserei Späth

Solartechnik in Fensterscheiben, smarte Produktion: Glasermeisterin Claudia Bernecker ist fasziniert davon, wie sich ein uralter Werkstoff mehr und mehr mit Hochtechnologie verbindet.

Frau Bernecker, über welches fachliche Thema denken Sie gerade am meisten nach?
Über den Zusammenhang von Funktion und Design mit Glas, vor allem im Innenbereich. Da geht es um Duschen oder Brüstungen aus Glas. Im Trend liegen derzeit Lofttüren. Viele Kunden wünschen sich derzeit die Optik eines Lofts in ihren Wohn- oder Büroräumen. Der Industrie-Style erfordert, dass alles so aussieht, als wäre es schon seit Jahrzehnten in Benutzung. Das heißt, wir müssen neu hergestelltes Glas so bearbeiten, dass es aussieht, als wäre es eigentlich alt. Hier ist Kreativität gefragt. Wir probieren immerzu neue Technologien der Glasverarbeitung aus. Unser Knowhow wächst jeden Tag.

Sie haben in Hauzenberg bei Passau die Glaserei Späth übernommen, den Betrieb Ihrer Eltern. War die Glaserei Ihr Mädchentraum?
Ich wusste immer schon, dass ich ein Handwerk erlernen will. Aber ich habe als Mädchen eher daran gedacht, Raumausstatterin zu werden. Der Umgang mit Farben und Stoffen hat mich interessiert. Ich bin eben ein kreativer Mensch. Später habe ich verstanden, dass gerade deshalb Glas sehr gut zu mir passt. Wir arbeiten mit Formen und Farben, erstellen für jeden Kunden ein eigenes Konzept. Kreative Menschen sind in der Glaserei bestens aufgehoben.

Sie sind jetzt seit bald 30 Jahren dabei. Haben Sie jemals erlebt, dass Ihnen etwas weniger oder etwas mehr zugetraut wurde, weil Sie weiblich sind?
Ja. Am Anfang hatten viele Kunden, aber auch andere Handwerksfirmen auf den Baustellen Zweifel, ob Mädchen dem Beruf gewachsen sind. Nicht nur körperlich, sondern insgesamt. Wir Mädchen haben damals die Zähne zusammengebissen und einfach gemacht. Wir wollten zeigen, dass wir genauso viel können wie die Jungs. Ich glaube, dass wir damit erfolgreich waren, denn heute begegnen wir diesen Vorbehalten nur noch selten. Es hat sich herumgesprochen, dass auch Glaserinnen einen sehr guten Job machen.

Nicht nur Sie haben Ihre Ausbildung mit sehr guten Noten abgeschlossen. Auch viele Ihrer Auszubildenden machen ihren Abschluss als die Besten ihres Jahrgangs. Was ist das Erste, das junge Menschen bei Ihnen lernen?
Dass sie vollwertige Mitglieder unseres Teams sind. Azubis sind bei uns keine Handlanger, die das machen, wofür sich andere zu schade sind. Sie dürfen mitreden und übernehmen sehr schnell Verantwortung. Das weckt ihren Stolz und den Ehrgeiz, sich fachlich richtig reinzuhängen. Gleichzeitig wissen alle Beschäftigten, dass meine Tür immer offen ist, wenn sie an ihre Grenzen stoßen und nicht weiterkommen. Dann schauen wir uns die Sache gemeinsam an. Wir sorgen also dafür, dass unsere Auszubildenden weder über- noch unterfordert sind, sondern einen zu ihnen passenden Raum haben, sich fachlich zu entwickeln.

Wie wird sich Ihre Branche in den nächsten 20 Jahren entwickeln – und welche Zukunftskompetenzen brauchen junge Menschen, um diesen Wandel mitgestalten zu können?
Sie brauchen einmal eine große Offenheit, sich auf immer neues einzulassen und unterschiedliche Technologien kreativ zu verknüpfen. Wir müssen zum Beispiel in der Lage sein, Solartechnik in Glas zu verbauen, etwa in Fensterscheiben oder Balkonbrüstungen. Außerdem entwickelt sich die Produktion zunehmend digital. Auch als Meisterin lerne ich jeden Tag dazu.
Zum anderen brauchen wir in unserem Beruf gute Fähigkeiten, zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Wir bieten unseren Kunden individuelle Lösungen. Wir müssen gemeinsam mit den Menschen herausarbeiten, was sie eigentlich brauchen. Wir müssen dann mit dem Einkauf verschiedene Lösungen durchsprechen, um ein passendes Angebot machen zu können. Kommunikation und Zusammenarbeit sind in unserem Alltag mittlerweile genauso wichtig, wie gut mit dem Material Glas umgehen zu können.

Technische Kompetenz wird ja gesellschaftlich eher Jungen zugesprochen. Kommunikation und Zusammenarbeit gilt als eher weiblich. Was wird mit solchen Zuschreibungen passieren, wenn sich die benötigten Kompetenzen in Ihrem Beruf so entwickeln, wie Sie das beschreiben?
Ich sehe diese Zuschreibungen nicht mehr. Der Arbeitsmarkt ist da schon sehr tolerant geworden. Aber es wird in Zukunft sicher noch klarer werden, dass jeder alles kann.

Texte: Claudia Parton
Foto: Glaserei Späth
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