Alice H. Parker
Erfinderin der gasbetriebenen Zentralheizung
1919 meldet Alice H. Parker als eine der ersten afroamerikanische Frauen ein Patent an: für eine gasbetriebene Zentralheizung. Bis heute steckt in vielen Anlagen das von ihr erdachte Grundprinzip. Von der Erfinderin aber gibt es nicht einmal ein Bild.
Dieser Text entsteht an einem grauen Novembernachmittag. Draußen biegt der Sturm die Pappeln. Innen verströmt ein Heizkörper gemütliche Wärme. Das Prinzip dieser Heizung geht unter anderem auf ein Patent zurück, dass 1919 von Alice H. Parker aus Morristown, New Jersey, angemeldet wurde. Doch während für die meisten heute selbstverständlich ist, was eine junge Frau vor mehr als 100 Jahren erfunden hat, ist über ihre Person fast nichts bekannt. Dahinter steckt eine ganz eigene Geschichte, die hier erzählt werden soll.
Das Heizen soll bequemer und sicherer sein
Es gibt unterschiedliche Angaben, wann Alice H. Parker zur Welt kommt: irgendwann zwischen 1865 und 1895. Laut Patentanmeldung lebt sie 1919 Morristown, New Jersey. Die meisten Menschen heizen zu dieser Zeit mit Kohle oder Holz. Das ist in den kalten Wintern New Jerseys nicht nur beschwerlich, sondern auch gefährlich. Immer wieder kommt es zu Wohnungsbränden.
Erstmals lässt sich eine Heizung individuell regeln
Erdgas kommt damals vor allem in der Industrie und für die Stromgewinnung zum Einsatz. Alice H. Parker überträgt diese Technologien auf den Wohnbereich und denkt sich etwas Bahnbrechendes aus: eine energiesparende und effiziente gasbetriebene Heizungsanlage mit mehreren unabhängigen Brennkammern und einem Rohrsystem, das warme Luft in die einzelnen Zimmer transportiert. Geradezu revolutionär ist die Idee, dass sich die Temperatur in den einzelnen Räumen individuell einstellen lassen sollte. Das Patent von Alice H. Parker gilt also auch als eine der theoretischen Grundlagen der heute selbstverständlichen Heizkörperthermostate.
Intelligent, kreativ – und wahrscheinlich bestens ausgebildet
Doch wer war diese Frau? Die Journalistin Audrey Henderson hat intensiv zur Biografie der Erfinderin recherchiert und im Zensus der Stadt Morristown von 1920 eine Köchin namens Alice Parker gefunden. Eine Köchin könnte mit ganz unterschiedlichen, auch erdgasbetriebenen Heiz- und Kochtechniken zu tun gehabt haben und deren Funktionsweise auf den Wohnbereich übertragen haben. Eine weitere Alice H. Parker schloss 1910 an der Howard University Academy in Washington Kurse in Physik mit Auszeichnung ab. Das ist eine Oberschule mit Anbindung an die Howard University.
Doch dabei kann es sich kaum um dieselben Personen handeln. Die Alice Parker aus Morristown war 1910 bereits zu alt für High-School-Kurse. Zudem war Parker ihr Ehename. Ihre Ausbildung hat sie wohl aber unter ihrem Mädchennamen absolviert. Der ist bislang unbekannt. Da es zu beiden Frauen kein verifiziertes Bild gibt, lässt sich die Annahme auch auf diesem Weg nicht überprüfen.
Was sich von Alice H. Parker über Zukunftskompetenzen lernen lässt
Manche Seiten schreiben, Alice Parker sei ihre Erfindung ohne Ausbildung und ohne Berufserfahrung gelungen. Audrey Henderson aber sagt: Ohne fundierte technische Ausbildung hätte Alice H. Parker kaum das komplizierte Patentanmeldeverfahren bewältigen können, schon gar nicht als eine der ersten Schwarzen Frauen weltweit. Vermutlich habe sie dafür auch Unterstützung eines fachlichen Netzwerks gehabt. Im Patentantrag sind Zeugen der Erfindung benannt.
Wahrscheinlich hat sich Alice H. Parker also auch als eine der ersten Frauen in den USA überhaupt den Zugang zu höherer technischer Bildung erkämpft. Gerade für junge Schwarze Frauen auf der Suche nach Vorbildern wäre eine korrekte Erzählung dieser Biografie wichtig: Es ist ein Unterschied, ob eine Idee als genial, aber auch zufällig beschrieben wird – oder als Ergebnis eines fundierten Wissens und wichtiger Kompetenzen, die auch heute als Zukunftskompetenzen gelten. Alice H. Parker ist höchstwahrscheinlich nicht nur hochintelligent und äußerst entschlossen. Sie verfügt auch über die Fähigkeit, kritisch und kreativ zu denken und in enger Zusammenarbeit mit anderen aus einer Idee eine überzeugende Technologie zu entwickeln.
Sie ist ihrer Zeit weit voraus – und wird auch deshalb nicht berühmt
Dass sich diese Biografie aber kaum noch korrekt erzählen lässt, hängt paradoxerweise damit zusammen, dass Alice H. Parker ihrer Zeit weit voraus ist. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg breiten sich Gasheizungen in den Wohnungen der westlichen Industrienationen aus. So bleibt die fachliche Resonanz auf das Patent über viele Jahrzehnte aus. Alice H. Parker selbst kann ihre Erfindung nicht in die Praxis umsetzen. Wahrscheinlich stirbt sie im Jahr 1920. Wie und wo ist nicht belegt.