„Mit Freude die MINT-Fächer praktisch erlebbar machen“

© Sekundarschule Netphen

Wie reagiert ein Schokokuss auf die Druckverhältnisse in der Stratosphäre – platzt er oder wird er zusammengedrückt? 22 Mädchen der Sekundarschule Netphen in Nordrhein-Westphalen haben das ausprobiert und einen Wetterballon fast 38.000 Meter in die Höhe geschickt.   

Spätestens mit Blick auf die gestochen scharfen Fotos war der letzte Zweifel dahin. Die Krümmung der Erde, davor das Schwarz des Alls und die einzelnen Schichten der Atmosphäre: All das ist bestens auf den Bildern vom Flug des Wetterballons zu erkennen. Festgehalten ist hiermit auch der Erfolg der Mädchen-MINT-AG an der Sekundarschule Netphen, die für den Flug des Wetterballons über viele Wochen eigenständig plante, rechnete, baute und Genehmigungen einholte. Mehr als einmal hatten sich die Mädchen gefragt, ob sie das wohl alles schaffen. Ein Blick auf die Fotos reicht nun als Beweis: Sie schaffen das, natürlich, und noch viel mehr.

Die Mädchen sollten verantwortlich sein – vom Anfang bis zum Schluss
Der Start des Wetterballons war auch für die Sekundarschule Netphen ein Experiment. Mit acht Mädchen wollte sie erstmals einen reinen MINT-Kurs für Schülerinnen der siebten und achten Klassen gründen. Wetterballons hat die Schule schon öfter steigen lassen. Doch bisher waren die Mädchen dabei zurückhaltend. Ein reines Mädchenprojekt sollte ihnen die Möglichkeit geben, einen Start von Grund auf selbstständig zu planen und umzusetzen.

„Mit Freude die Mint-Fächer praktisch erlebbar machen“ lautete der Kurstitel – und es kam an. Als die MINT-Lehrkräfte auf Werbetour durch die siebten und achten Klassen ging, meldeten sich gleich 22 Mädchen an, fast dreimal mehr als erwartet. Das hat auch die Schule überrascht. In zwei Gruppen tüftelten die Mädchen ab August 2021 am Start: überarbeiteten die bisherigen Sonden und Abschussrampen, errechneten Flugpläne und Druckverhältnisse, richteten die Kameras ein und dachten sich Experimente zur physikalischen und chemischen Prozessen in der Stratosphäre aus. Träumen konnten sie dabei groß, weil Wir stärken Mädchen sämtliche Sachkosten für Planung, Bau und Umsetzung übernahm.

Lieber lesen – oder mit Schokoküssen experimentieren?
So kamen zwei hochprofessionelle Kameras in die selbst gebaute Sonde aus Styropor, Pappe, Holzstäben und Klebeband, dazu drei Reagenzgläser mit Wasser, Natriumchlorid- und Kaliumchloridlösung. Und natürlich der Schokokuss. Die weiche, formbare Süßigkeit ist besonders gut geeignet, Druckveränderungen mit steigender Höhe abzubilden. Wird der Schokokuss zusammengedrückt oder platzen? Eine erste Antwort fanden die Mädchen zwar auch in den Büchern und Videos, mit denen sie sich zur Vorbereitung auseinandersetzten. Doch noch mehr freuten sie sich auf den Tag, es einfach auszuprobieren. Mit Offenheit, Kreativität und Coolness gemeinsam immer neue Fragen zu erkunden – das sind wichtige Zukunftskompetenzen, deren Vermittlung ebenfalls zum Programm Wir stärken Mädchen gehört.

An einem Märzmorgen schließlich war es soweit. Wetter- und Coronabedingt musste der Start mehrfach verschoben werden, doch an diesem Morgen klappte es. Die halbe Schule hatte sich auf dem Hof versammelt, um dem mit Helium gefüllten Wetterballon beim Start zuzuschauen. Knapp unter drei Stunden Flugzeit hatten die Mädchen berechnet und eine Landung etwa 100 Kilometer entfernt in Richtung Frankfurt und Bad Homburg. Damit sollten sie fast auf den Kilometer genau richtig liegen.

Der Wetterballon platzt in knapp 38 Kilometern Höhe – genauso geht es dem Schokokuss
Heruntergekommen ist der Wetterballon übrigens aus folgendem Grund: Mit steigender Höhe nimmt der Druck immer weiter ab, weshalb sich das Helium ausdehnt, bis die dünne Latexhaut des Wetterballons platzt. Selbiges ist auch mit dem Schokokuss passiert. Die Sonde mit den Flüssigkeiten und den Kameras hingegen hat der kleine rote Fallschirm des Ballons heile zur Erde zurückgebracht. Die Daten und Bilder werten die Mädchen nun im Nachgang aus. 12 von ihnen sind noch dabei. Sie sagten, dass sie noch nie so viel Spaß im MINT-Unterricht hatten. Das war es, was die Sekundarschule Netphen erreichen wollte.

Text: Claudia Parton
Fotos: © Sekundarschule Netphen
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