Physik mal anders

© DKJS / Robert Herschler

„Heute steckt ihr eine Schaltung zusammen“, verkündet die Lehrerin im Raum Naturwissenschaft 2 und deutet auf verschiedene Sammelboxen. „Hier sind die Breadboards, hier die Widerstände, die Kondensatoren, die Transistoren und die Dioden… Alles klar?“ – Während andere Jugendliche nur ratlos den Kopf geschüttelt hätten, legen die vier Schülerinnen des Schifferstadter Paul-von-Denis Gymnasiums direkt los. Offensichtlich machen sie das nicht zum ersten Mal.

Schülerinnen unter sich
Gemeinsam mit weiteren Mädchen der Mittelstufe besuchen sie die MINT-AG, um CO2-Monitore zu bauen, zu konfigurieren und später mit ihren Smartphones auszulesen. Mit der Hard- und Software seien sie bereits vertraut, berichtet Sabrina Hucks. Die Physik- und Mathematiklehrerin initiierte das Projekt im Rahmen von Wir stärken Mädchen, um Schülerinnen zwischen 14 und 16 Jahren in Naturwissenschaften, Technik oder Handwerk zu fördern und sie zu ermutigen, ihren beruflichen Weg auch jenseits von Geschlechterklischees zu beschreiten. „Wenn sie unter sich bleiben, zeigen Mädchen weniger Scheu, Fragen zu stellen und sich auszuprobieren“, sagt Hucks. Zwar hätten sie „nichts gegen Jungs“, betonen die Schülerinnen unisono, aber ohne diese gäbe es „weniger Radau“ und man habe auch keine Angst, Fehler zu machen. Der geschützte Rahmen lässt sie selbstsicher und konzentriert arbeiten.

Gemeinsam tüfteln und löten
Entspannte Atmosphäre herrscht auch im benachbarten Raum Physik 2: Mit routinierten Handgriffen bauen hier acht Schülerinnen Lötkolben auf, befeuchten Reinigungsschwämme und suchen Bauteile für ihre Platinen zusammen. Anfangs habe sie Respekt vorm Löten gehabt, gesteht die 16-jährige Lea. „Für mich schien das eher was für Männer zu sein. Aber wenn man den Dreh raus hat, ist es gar nicht so schwer.“ In Zweier- und Dreierteams tüfteln und löten sie gemeinsam. „Wenn man sich gegenseitig helfen kann, kommt man schneller voran“, sagt Thalia. Als sie versucht, Farbcodes auf kleinen Widerständen zu entschlüsseln, erhält sie Unterstützung von Sabrina Hucks. „Die Lehrerin ist hier entspannter als im Unterricht“, findet die 15-Jährige. „Ich habe das Gefühl, dass sie selbst auch dazulernt und Freude hat.“

Naturwissenschaften hautnah erleben
Als bereichernd empfindet Sabrina Hucks nicht nur die ungezwungene Arbeit mit den Mädchen: „Ich erhalte auch von Eltern sowie im Kollegium positive Rückmeldung und fühle mich durch die Projektbegleitung gut unterstützt.“ Mit den Programmgeldern finanzierte sie Lötkolben, Platinen und Bauteile sowie einen Tagesausflug zu den Pfalzwerken, einem Energieversorger im benachbarten Ludwigshafen. Dort besuchten die Mädchen die Elektronik-Ausbildungswerkstätten und bauten selbst ein Verlängerungskabel sowie eine solarbetriebene Windmühle. „Der Ausflug hat bei einigen tatsächlich das Interesse am Elektronikerberuf geweckt“, freut sich Hucks. Festlegen wollen sich die Schülerinnen beruflich aber noch nicht. Erst einmal steht Fächerwahl für die Oberstufe an – fast alle wollen einen naturwissenschaftlichen Leistungskurs belegen.

Vielseitiges Programm
Schon vor dem Projektstart hatten viele Teilnehmerinnen Interesse an Naturwissenschaften. Sie wurden von Lehrer:innen auf das Angebot aufmerksam gemacht oder waren neugierig auf den Bau des CO2-Messgeräts. „Mir macht das Löten am meisten Spaß“, erzählt eine Jugendliche. „Ja, das kann richtig entspannend sein“, fügt ihre Banknachbarin hinzu. Stolz präsentieren die Mädchen blinkende Herzen und Smileys, die sie zu Übungszwecken selbst zusammengelötet haben. „Cool“ fanden Lea und Klara, beide 14, auch den regelmäßigen Online-Mädchenstammtisch. Dort tauschten sie sich mit Programmteilnehmerinnen aus anderen Bundesländern aus, lernten Frauen mit „atypischen“ Berufen kennen oder fanden in Workshops ihre Stärken heraus.

Pandemie erfordert Flexibilität
Einige Mädchen bedauern, dass sie aufgrund der Pandemie nicht, wie geplant, bei den Pfalzwerken auf einen Strommast klettern durften. Offen bleibt auch, ob der avisierte Besuch an der Universität Kaiserslautern tatsächlich „live“ stattfinden kann. Sabrina Hucks bleibt optimistisch, denn bisher fand sie immer eine Lösung, um die Projektpläne doch umzusetzen: So verlegtes sie während des Lockdowns die Arbeit mit der Software vor, so dass die Schülerinnen sich zuhause damit beschäftigen konnten. Zudem teilte sie die AG in kleinere Gruppen auf, um Kontakte zu reduzieren.

Einmalige Chance
Wenn die Mädchen weiter so gut vorankommen, steht der Präsentation der fertigen CO2-Monitore nichts mehr im Wege. Denn die ersten Grundkonstruktionen sind bereits fertig gelötet. In den nächsten Stunden werden die Mädchen diese mit der Software bespielen und als fachübergreifende Arbeit mit der Kunst- und NaWi-Lehrerin Susanne Werling die Gehäuse bauen.

Doch für heute ist erst einmal Feierabend. Als die Schülerinnen die Räume verlassen, ist es Nachmittag und das Schulgebäude wie leergefegt. Trotz ihres hohen Lernpensums sind sie gerne länger geblieben. „Ohne Stress und Notendruck macht es Spaß und man nimmt viel mit“, resümiert Klara. Und Lea betont: „Die Chance, so etwas zu machen, hat man nicht immer.“

Das Paul-von-Denis Gymnasium Schifferstadt
Alle Bilder © DKJS / Robert Herschler
Text: Carolin Grehl
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