Einfluss von Berufsbezeichnungen auf die Berufswahl bei Jugendlichen
Mit vielen Berufsbereichen sind nach wie vor Geschlechterbilder eng verknüpft. Viele haben bestimmte Personen im Kopf, wenn sie an Berufszweige wie Maschinenbau, Pflege, Pädagogik, Handwerk oder an Positionen wie Führungskraft und Servicekraft denken.
Vor dem geistigen Auge ziehen Bilder von dem Arzt im weißen Kittel, der Krankenschwester, dem Handwerker auf der Baustelle, der Putzfrau und dem Chef vorbei. Diese Bilder geschlechtlicher Zuordnung bestimmter Berufe haben sich sehr lange hartnäckig gehalten und auch heute immer noch Einfluss auf die Berufswünsche bei Kindern und Jugendlichen.
Berufsbezeichnungen sind der erste Eindruck
Neben den bereits geschlechtlich zugeordneten Bezeichnungen haben auch die neutralen Berufsbezeichnungen Einfluss auf die Berufswahlneigungen bei Jugendlichen.
Zu diesem Ergebnis kam die ↗ Studie „Berufsbezeichnungen und ihr Einfluss auf das Berufsinteresse von Mädchen und Jungen“ aus dem Jahr 2004. Sie hat an Aktualität nicht verloren. Die Berufsbezeichnungen sind für den „ersten Eindruck“ von einer bestimmten Ausbildung besonders bedeutsam, denn viele Jugendliche sind bei ihrer Berufswahl und Lehrstellensuche mit einer unüberschaubaren Fülle von Informationen und Anforderungen konfrontiert. Sie möchten daher die Komplexität reduzieren. Ob die aus den Bezeichnungen abgeleiteten Vorstellungsbilder mit den tatsächlichen Berufsbedingungen übereinstimmen, wird in vielen Fällen nicht mehr überprüft.
Namensbestandteile wecken Assoziationen
Laut den Autor:innen der Studie hat die Berufsbezeichnung zwei Funktionen: als Signalfunktion löst sie Assoziationen aus, anhand derer anschließend einige Alternativen verworfen und andere in die engere Auswahl genommen werden, die Selektionsfunktion.
Die Berufsbezeichnungen selber beinhalten Signalwörter, die entweder eher das eine oder das andere Geschlecht ansprechen. Andere wiederum sind geschlechtsneutral.
Den Untersuchungen der Forschung zufolge, sind Namensbestandteile wie fachkraft, facharbeiter, arbeiter (Ausbildungsniveau), bau, metall, elektr und industr (Branche), informat, techn, elektronik, mechanik, modell (Fachgebiet), bearbeiter, verarbeiter, monteur/in, konstrukt, bauer, macher, werker, werk und führer/in (Arbeitsverfahren) sowie glas, holz, metall und werkzeug (Werkstoff) männlich.
Sogenannte weibliche Namensbestandteile sind dafür fachangestellte/r (Ausbildungsniveau), mode, modist (Branche), kaufmann/-frau (Fachgebiet), helfer, hilf und büro (Arbeitsverfahren) als auch edelstein, diamant, gold und schmuck (Werkstoff).
Die Namensbestandteile fachmann/-frau (Ausbildungsniveau), chem (Branche), händler, labor, system, wirt, wirtschaft und handel (Fachgebiet), gestalt, maler und prüf (Arbeitsverfahren) sowie textil und medien (Werkstoff) werden ausgeglichen bewertet.
Jugendliche haben unterschiedliche Anforderungen an ihren Beruf und legen unterschiedliche Maßstäbe an. Dazu gehört auch die dritte Funktion von Berufsbezeichnungen, die Selbstdarstellungsfunktion.
Das Erlernen und Ausüben eines Berufes zieht entweder einen Imagegewinn oder -verlust mit sich, da man ihm einen bestimmten gesellschaftlichen Status oder Kompetenzen zuschreibt. Wenn Jugendliche also aus einer Berufsbezeichnung das gesellschaftliche Image der entsprechenden Berufsinhaber:innen ableiten, ist auch hier das Geschlecht von besonderer Relevanz.
Geschlechtliche Zugehörigkeit von Berufen aufbrechen
Berufsbezeichnungen sind demnach eine wichtige Stellschraube bei der gendersensiblen Berufsorientierung und -wahl. Es sollten Bezeichnungen ermittelt werden, die aus Sicht der Jugendlichen nicht nur ein möglichst realistisches Bild der Arbeitsbedingungen des jeweiligen Berufes vermitteln, sondern auch attraktiv klingen. Die Perspektive von Jugendlichen in einen solchen Prozess mit einzubeziehen, wäre ein möglicher Schritt.
Um die vermeintlichen geschlechtlichen Zugehörigkeiten zu bestimmten Berufen aufzubrechen, gilt es auch das jeweilige öffentliche Image anzupassen. Für Pädagog:innen sind Kenntnisse zu diesen Mechanismen sowie den Kriterien und Maßstäben, die Jungen und Mädchen jeweils anlegen hilfreich und notwendig, um diese mit ihnen immer wieder kritisch hinterfragen zu können.