MIT KREATIVITÄT DAS INTERESSE AN TECHNIK WECKEN
Die Astrogirls am BvA Dormagen lieben Experimente und bauen das Sonnensystem aus Pappmaschee nach
„Wie heißt der größte Planet unseres Sonnensystems?“, fragt Ina Hohn ihre Fünftklässler:innen, die sich nach lautem Tische- und Stühleschieben in zwei Gruppen eingeteilt haben: rechts die Jungs und links die Mädchen. „Jupiter!“, ruft Annabelle. „Und welcher Planet ist der Erde am nächsten?“ „Die Venus“, antwortet Tim. Die rund 30 Kinder aus allen 5. Klassen des Bettina-von-Arnim-Gymnasiums (BvA) in Dormagen sind gut vorbereitet auf den Unterricht im Profilkurs Naturwissenschaften. Heute werden sie damit beginnen, das Sonnensystem als Modell zu bauen. „Mir macht es großen Spaß zu experimentieren“, erklärt Vicky. Deshalb hat sich die 10-Jährige für den naturwissenschaftlichen Kurs entschieden. Die Schüler:innen hatten die Wahl zwischen verschiedenen Profilkursen, wie zum Beispiel „Kompetent in Medien“ oder „Meine Bühne“. Christiane Hell freut sich über die hohe Mädchenbeteiligung bei den Astrogirls in diesem Schuljahr. „Wir fördern hier speziell die Zukunftskompetenzen von Mädchen, deshalb haben wir geschlechtsgetrennte Kleingruppen gebildet. Aber auch die Jungs sollen natürlich vom Unterricht profitieren“, betont die Biologielehrerin.
In Mädchengruppen ist der Austausch sehr aktiv
Ihre Kollegin Ina Hohn verteilt schon einmal Luftballons. „Wer will den Merkur machen?“ Fatma erhält den kleinsten Ballon, den sie gleich aufbläst. Vicky hat sich für den Neptun entschieden und schubst ihren Ballon in die Luft. Rana bläst derweil noch den Saturn auf, der ja um einiges größer werden muss. Dann bekommen alle einen Stapel Zeitungspapier und eine Plastikschüssel zum Anrühren des Kleisters. Wasser und Kleister müssen im richtigen Verhältnis gemischt werden, damit das Papier auf dem Luftballon hält. Cassandra und Annabelle bekleben ihre Erde gemeinsam. Die beiden basteln gerne und finden den Profilkurs gut, weil hier besonders Zusammenarbeit und Kreativität gefordert sind – nicht die einzigen zwei der sechs Zukunftskompetenzen, die in diesem Kurs aktiv gefördert werden.
Fatma hat ihren Merkur bereits mit Pappmaschee umhüllt und hilft Eldana, die Sonne zu bekleben. Die 11-Jährige möchte später gerne mal Ärztin werden und findet die gute Kommunikation in der Gruppe schön. „In reinen Mädchengruppen ist der Austausch sehr aktiv“, bestätigt Ina Hohn. Bereits seit 2010 führt sie immer wieder Mädchenförderprojekte durch. „In der Gruppe finden die Mädchen oft neue, kreative Lösungsansätze, die sie vielleicht sonst nicht so entdeckt hätten.“ Ina Hohn hat eine sehr positive Langzeitwirkung der Mädchenförderung beobachtet: „Die Mädchen trauen sich mehr zu, wenn sie sich nicht von Jungs beobachtet fühlen.“
Beim Experimentieren werden die Zukunftskompetenzen gefördert
Inzwischen sind alle Luftballons beklebt und werden zum Trocknen ans Fenster gestellt. Nächste Woche sollen die Pappmascheekugeln dann bemalt und zu Sonnensystemen zusammengefügt werden. Diese kreative Herangehensweise an naturwissenschaftliche Themen habe besonders bei Mädchen eine sehr positive Wirkung. „Beim Arbeiten mit den Händen verlieren die Mädchen die Angst vor Werkzeugen und lernen einen kreativen Umgang mit den verschiedenen Materialien. Die Technik fließt so nebenher mit ein“, erklärt Ina Hohn. Auch Schulleiter Thomas Vatheuer findet derartige Projekte sehr wertvoll, bei denen die Kinder eigene Experimente machen können und sich ausprobieren dürfen. „Wir haben an unserer Schule natürlich auch jede Menge digitale Projekte, aber beim praktischen Experimentieren werden die 21st Century Skills ganz besonders gefördert“, so der Schulleiter. Für die Zukunft wünscht sich Vatheuer mehr Freiheiten außerhalb der engen Lehrpläne, damit die Schüler:innen noch individueller gefördert werden können. Solche Projekte seien der erste Schritt dazu.
Umgang mit Werkzeugen sollte für Mädchen selbstverständlich sein
Im Technikraum muss jetzt noch geputzt werden. Der Kleister klebt an Tischen, Stühlen, Händen und Kleidung. Die Jungs spülen die Plastikschüsseln aus, die Mädchen schrubben die Tische und fegen das restliche Zeitungspapier zusammen. „Lukas, Du kannst auch mal den Besen nehmen“, meint Ina Hohn, die bei allem versucht, geschlechterspezifische Rollen aufzubrechen. Eldana kann sich von ihrer Sonne noch gar nicht trennen, die sie stolz in die Höhe hält. Etwas mit eigenen Händen gemacht zu haben, ist ein gutes Gefühl. Ina Hohn versucht als Physiklehrerin ein gutes Vorbild für die Mädchen zu sein und sie zu animieren, sich an technische Herausforderungen heranzuwagen. „Wenn ich ganz selbstverständlich mit Werkzeugen umgehe, hat das einen Einfluss auf die Mädchen“, so Hohn. „Ich zeige ihnen auch bewusst neue Berufsfelder auf, die sie vielleicht noch nicht kennen, insbesondere im handwerklichen Bereich. Das Ziel muss ja nicht immer ein Studium sein.“ Die Förderung von Zukunftskompetenzen bedeutet für Ina Hohn, dass sie ihre Schüler:innnen fit für ihre Zukunft macht, in der sie sich trauen, den Beruf auszuüben, den sie machen möchten und nicht den, der ihnen durch die Gesellschaft zugetraut wird.